Steht derzeit (Juni 2021) bei Wikipedia, dass es eine Geste sei, „die der visuellen Begrüßung dient oder die Aufmerksamkeit anderer Menschen erreichen soll“, findet sich im Duden-Online zur gleichen Zeit eine weitaus umfassendere Bedeutungserklärung[^1]. Nicht nur zur Begrüßung, auch zur Verabschiedung werde das Winken eingesetzt. Damit steht zumindest dem mehrfachen Winken am Tag grundsätzlich nichts im Weg.
Für Prinz Philip war diese Tätigkeit seit 1947, dem Jahr in dem er und Queen Elizabeth II. sich das Ja-Wort gaben, sein tägliches Brot. Schließlich war ihm das Winken im Lauf der Jahrzehnte so sehr ins adelige Blut übergegangen, dass er nachts nicht mit dem Winken aufhören konnte: Er winkte einfach weiter und wachte morgens mit eiskalter Hand auf. Das Ergebnis lässt sich schon fast als Krankheit bezeichnen. So hat Lady Pamela Hicks mal mitgeteilt, dass der Prinz „immer mit einer sehr kalten Hand auf[wachte] und sich [fragte,] warum und dann bemerkte er, dass er im Schlaf“ gewunken hatte. [^2]
Wie Prinz Philip geht es mir persönlich noch nicht, aber ich konnte in den letzten pandemischen Monaten feststellen, dass das berufliche Winken in einem Maße bei mir Fuß gefasst hat, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. War es früher das Winken aus dem Auto nach Beendigung privater Treffen, das ritualisiert in luftiger Weise Anwendung fand – rein zur Verabschiedung in emotionaler Schnellwedelgeschwindigkeit –, ist es heute das zeitlich nur von einem roten “Ende-Button” limitierte Winken vor dem Kameramodul meines geliebten Macs, das - ebenfalls ritualisiert - das Ende einer Veranstaltung anzeigt. Diesmal jedoch nicht nur private, sondern eben auch berufliche Zusammenkünfte.
Bei den zunehmenden Videocalls geht es also nicht um das Winken zur Begrüßung [^3]. Es ist das Winken zur Verabschiedung, das zu einer neuen Kommunikationsbewegung geworden ist. In Teilen ist zu beobachten, dass sogar beide Hände (und Arme) verwendet werden. Eine Fuchtelei auf dem Monitor, die ihresgleichen in der analogen Realität sucht. Hoffentlich wird es nicht transferiert – ein Winken, das – so habe ich es neulich noch irgendwo gelesen – „nie selbstbezüglich“ sei. Was zu bezweifeln ist. Wer winkt, winkt doch auch immer auch für sich, schafft sich durch die Bewegung eine körperliche Bestätigung des Abschieds. Ganz im Sinne von: Endlich ist er/ sie/ es weg, ich kann es spüren. Genau diese Körperlichkeit verquickt sich mit der Digitaliät des Daseins bei Video-Calls. Ob es auch die unvertuschbare Freude über die Beendigung eines Gespräches ist, mag dahin gestellt bleiben.
In jedem Fall ist das pandemische „Winke-Winke“ am Monitor selten eines von dem die Schlagersängerin Evelyn Künecke in den 50er-Jahren getrället hat:
„Geh' an Frauen
Nie vorüber
Ohne einen zarten Wink
Mit einem Blick
Und Dich führt ein kleines
Ganz diskretes und apartes
Winke-winke ins Glück“[^4]
Für heute verabschiede ich mich: 👋🏼
[^1]: [https://www.duden.de/rechtschreibung/winken](https://www.duden.de/rechtschreibung/winken)
[^2]: https://www.vip.de/cms/prinz-philip-hat-ein-naechtliches-problem-er-winkt-im-schlaf-4737380.html
[^3]: Das würde ich auch versuchen vehement zu unterlaufen und abzulehnen. Irgendwann muss ja mal gut sein. Oder?
[^4]: https://www.songtexte.com/songtext/evelyn-kunneke/winke-winke-7bc87e14.html